Das Grüne Band- Wandern im wilden Deutschland, Tag 32

Bei meiner letzten Wanderung im Februar diesen Jahres konnte ich die letzte Etappe nicht abschließen. Ein Busfahrerstreik hätte eine Rückkehr aus Boltenhagen an diesem Tag unmöglich gemacht.

Ich war zwar bis zum Priwall, also bis an die Ostsee gekommen und hatte mir damit die nördliche Hälfte des ehemaligen Todesstreifens vollständig erwandert, die Grenzbefestigungen der DDR reichten aber noch weiter. Um zu verhindern, dass Republikflüchtlinge vom Strand aus schwimmend oder mit Booten eine der Skandinavienfähren erreichten, wurden Streckmetallzäune, Sperrgräben und Kontrollstreifen noch 17 Kilometer weiter an der Ostsee entlang installiert.

Diesen letzten Teil meines Weges wollen meine Liebste und ich jetzt gemeinsam mit dem Fahrrad zurücklegen. Wir haben uns dazu im Naturfreundehaus auf dem Priwall eingemietet.

Als wir am Montag ankommen, mache ich als erstes ein paar Fotos vom Ostseestrand. Das war mir im Februar wegen der Dunkelheit nicht mehr geglückt.

Man sieht, dass sich das Wetter ändert. Der erste Herbststurm der Saison zieht auf und am nächsten Morgen stürmt und regnet es so heftig, dass wir kurzzeitig überlegen die Tour um einen Tag zu verschieben. Nach einem ordentlichen Frühstück sind wir dann aber mutig, schließlich haben wir Wind und Regen (aus Westen) zumindest auf dem Hinweg nach Boltenhagen (Richtung Osten) im Rücken. Und den Rückweg kriegen wir dann schon irgendwie hin.

Wir sind hoch erfreut über den wunderbaren Radweg, der im wesentlichen auf der Trasse des ehemaligen Kolonnenwegs verläuft.

Er ist Teil des Ostseeradwegs und zählt zu den schönsten Radwegen Deutschlands. Dem können wir nur zustimmen.

Wir sind nie weit vom Meer entfernt, über lange Strecken sogar in Sichtweite des Wassers.

Das macht richtig Spaß, obwohl ich meiner Angela (E-Bike) mit meinem „Bio-Bike“ manchmal ganz schön hinterherhechle.

Ein großes Kreuz aus Birken erinnert an dieser Stelle an mehr als 7000 Häftlinge, die nach Märschen aus Neuengamme und anderen KZs von der SS am 3.Mai 1945, wenige Stunden vor der Befreiung durch britische Truppen, auf das einstige Luxusschiff „Cap Arcona“ und weitere Schiffe gebracht wurden. Durch einen Luftangriff der Briten wurden mehrere der Schiffe getroffen und versanken. Viele Leichen wurden im folgenden Sommer an die Strände der Lübecker Bucht gespült. In dem eiskalten Wasser überlebten nur 400 Menschen. Einer, der es geschafft hat, war Rudolf Goguel. Er war derjenige, der das Moorsoldatenlied im KZ Börgermoor komponiert hatte.

Immer wieder erreichen uns heftige Regengüsse, aber wir sind gut ausgerüstet

und auch dem Sturm können wir mit Motor- und Muskelkraft gut begegnen.

Hier hat’s in der letzten Nacht eine alte Weide erwischt.

Viele Strandabschnitte sind noch herrlich ursprünglich und Brutgebiet für Wasservogelarten, die andernorts schon sehr selten geworden sind. Hintergrund ist natürlich die frühere hermetische Abriegelung der Küstenlinie durch die Grenztruppen. Menschen, die hier im Hinterland lebten, hatten keine Chance ans Wasser zu kommen.

Wir fahren hier ein Stück auf dem „Iron Curtain Trail“ (das Schild mit der Europaflagge), ein Fahrradweg, der über fast 10.000 Kilometer, entlang dem ehemaligen Eisernen Vorhang, von der Barentssee in Nordfinnland bis zum Schwarzen Meer führt. Auch noch eine spannende Idee.

Bis auf die Höhe des Ortes Steinbeck reichten die Grenzbefestigungen. Wenige Kilometer weiter erreichen wir diese Steilküste mit den Einfluglöchern einer Uferschwalbenkolonie.

Von hieraus sehen wir auch schon unser heutiges Tagesziel, das Ostseebad Boltenhagen.

Unsere Tour hat jetzt noch einen ganz aktuellen Bezug gekriegt. Das „Grüne Band“ hat am letzten Freitag die „Goldene Henne“, einen Publikums- und Medienpreis, in der Kategorie „35 Jahre Deutsche Einheit“ bekommen. In der Begründung heißt es: „Es ist Europas größte Naturschutzinitiative. Es passt perfekt in unsere Zeit, in der das Zusammenwachsen wichtiger ist als Trennung und zeigt, wie sich 35 Jahre Wiedervereinigung darstellen können. Vom Todesstreifen zum Naturschutz-Mahnmal, von der Ostseeküste bis nach Bayern ist das Grüne Band der verdiente Gewinner einer Goldenen Henne.“

An die 700 Kilometer, zum allergrößten Teil zu Fuß, habe ich bis hierher zurückgelegt, viele spannende Naturerlebnisse gehabt und von Menschenschicksalen erfahren, die mich oft noch Tage begleitet haben.

Die Landschaft hat sich auf meinem Weg sehr verändert (hier der Teufelsstieg auf dem Weg zum Brocken)

und hier der Ostseestrand auf dem Weg nach Boltenhagen.

Die Tierwelt ist eine andere geworden (hier ein Feuersalamander im Harz)

und eine Silbermöwe am Meer.

Nur ich, (hier mit einer Brockenhexe am ersten Tag der Wanderung),

ich bin immer noch der Gleiche (hier an der Steilküste, am Ende der nördlichen Hälfte des Grünen Bandes).

4 Kommentare auch kommentieren

  1. Margret Strohbach sagt:

    Sturmumtost auf dem „Grünen Band“!?! Interessante wetterfeste Erlebnisse… Toll, dass ihr den Wetter auch jetzt die Stirn bietet!
    Kommt gut und gesund heim
    LG Margret

  2. Sibylle sagt:

    Eure Erlebnisse mit Heißgetränk zu bewundern hat was! 😀 Die Weite, die Freiheit, wir können es nicht genug wertschätzen! Toll, was Ihr uns immer zeigt. Lieber Gruß Sibylle

  3. Gerhard sagt:

    Lieber Volker,
    Wieder mal alle Motive sehr gut abgelichtet. Immer nah an der Natur.
    Liebe Grüße Gerhard

  4. Erich von Hofe sagt:

    Schöner Abschluss Deienr Tour auf dem Grünen Band. Trotz Regen und Sturm hast du das Ziel ereicht. Gratuliere!! Den Ostseeküstenradweg sind Waltraud und ich von Lübeck bis Stralsund mit unseren alten Fahrrädern vor ein paar Jahren gefahren. Bis bald Erich

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