Das „Grüne Band“ Wandern im wilden Deutschland-Tag 7

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Meine Unterkunft bietet Frühstück bereits ab 7 Uhr, so dass ich mit Sonnenaufgang das Haus verlassen kann. Als ich durch die ruhigen Fachwerkstraßen gehe, singen ein paar Amseln, ein Hahn kräht und als dann noch die Achtuhrglocke vom alten Kirchturm schlägt, trifft das mitten ins Herz des unverbesserlichen Romantikers.

Aber ich freue mich auch, als es aus der Stadt heraus wieder ins freie Feld geht.

Die heutige Wanderung führt mich durchs Große Bruch, ein ehemals riesiges Sumpf- und Moorgebiet, das Mitte des letzten Jahrhunderts trockengelegt wurde.

Der Reiseführer kündigt mir eine eintönige Landschaft mit wenig Abwechslung an.

Dem kann ich nur bedingt zustimmen. Im wesentlichen gehe ich heute tatsächlich fast nur geradeaus, so um die 20 km, auf einer Seite der Wassergraben und ansonsten Wiesen-, Acker- und Brachflächen.

Aber um mich herum ist so viel Leben. Große Gruppen von Rehen, von 10, 15 bis zu 20 Tieren, meinen sich vor mir in Sicherheit bringen zu müssen. Feldhasen hoppeln vorbei, Scharen von Staren und Wacholderdrosseln stochern nach Essbarem und immer wieder steigen Lerchen in den Himmel auf, diese wunderbaren Sänger, die bei uns immer seltener werden, weil die Agrarindustrie ihnen keinen Platz mehr lässt.

Beim gleichförmigen, fast meditativen, Wandern muss ich wieder daran denken, dass ich mich hier auf einer ehemaligen Todeslinie bewege, dem Kolonnenweg der Grenztruppen. Und heute sind diese Lochbetonplatten der Wanderweg für Menschen, die sich, wie ich, an dieser Natur erfreuen. Geht doch!! Und alles durch eine friedliche Revolution, ohne irgendwelche Waffen!

Bei Mattierzoll überquere ich eine Straße und damit auch einen ehemaligen Grenzübergang, von dem noch dieser, immer noch bedrohlich wirkende, Grenzwachturm übriggeblieben ist.

Ein Hochsitz auf einen alten Trabi-Anhänger montiert. Pfiffig!
Naturimpressionen am Wegesrand

Heute stoße ich das erste Mal auf meinen Wanderungen auf den Iron Curtain Trail, einem Fahrradfernweg, der entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs über fast 10.000 km von der Barentssee im Norden bis ans Schwarze Meer im Süden führt. Er verläuft zu großen Teilen in Bereichen des „Grünen Bandes Europa“ einem Biotopverbund an dem viele Menschen aus Ost und West mitarbeiten. Ein großartiges Projekt für die Natur und ein völkerverbindender Wanderweg.

So weit waren wir schon und jetzt das! Da ist jemand dabei mit grausamen und menschenverachtenden Mitteln diesen Eisernen Vorhangs wieder zuzuziehen.

Personen, für die ein friedliches Miteinander der Menschen untereinander nicht an vorderster und selbstverständlichster Stelle steht, haben in der Politik und besonders in der Regierung nichts zu suchen. Gar nichts!

Ab Mattierzoll wird die Landschaft wieder etwas abwechslungsreicher und sieht, wie hier, fast ein bisschen nach Savanne aus.

Ich finde einen schönen Platz für eine Mittagspause und liege das erste Mal in diesem Jahr in der Sonne. Über mir tirilieren Lerchen, wunderbar. Hinter mir, in einem Baum, versucht ein Trupp halbstarker Stare es ihnen gleichzutun. Sie scheitern kläglich.

Dieser umgestürzte Hochstand erinnert mich sehr an ein Cartoon von Marunde, in dem Wildschweine gegen den örtlichen Jagdpächter rebellieren. Wer weiß?!

Nach 26 Kilometern und viel Balancieren über nicht zugewachsene Betonplatten, erreiche ich mein heutiges Tagesziel, den Heeseberg, wo mir ein freundlicher Hotel-Mitarbeiter, trotz Renovierungsarbeiten ein Zimmer zugesagt hat.

2 Kommentare auch kommentieren

  1. Irene sagt:

    Klare Worte zum eisernen Vorhang und wunderschöne Beschreibungen der Tierwelt…
    Ich wünsche dir auch morgen Sonne und spannende Begegnungen. Liebe Grüße Irene

  2. Angela Klimas sagt:

    Guten Morgen auch aus Fischerhude.
    Wenn man deine schönen Texte, liest kann man sich kaum vorstellen, dass es tatsächlich Menschen gibt, die etwas anderes als Frieden wollen. Du glücklicher Wanderer.
    Liebe Grüße, Angela

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