Das „Grüne Band“ Wandern im wilden Deutschland – Tag 15

Besser kann ein Tag kaum starten, mit selbst geernteten und selbst hergestellten Lebensmitteln. Ergänzt wird noch um Brötchen und Wild-Salami. Legger!!

Ein ordentliches Frühstück ist auch notwendig heute. Das Thermometer zeigt 3 Grad und Windböen pusten ums Haus.

Gut vorbereitet und wetterfest angezogen ziehe ich los und stoße schon nach dem ersten Kilometer auf einen alten Grenzturm, der früher als Führungsstelle gedient haben soll und sich heute in Privatbesitz befindet.

Nur wenig später finde ich diese, schon ziemlich eingewachsene, Aussichtsplattform, von der aus westdeutsche Bürger einen Blick über die Grenze in die DDR werfen konnten. Er soll der letzte seiner Art sein und wirkt so baufällig und rutschig, daß ich mir einen Besuch lieber verkneife.

Ich wechsle wieder nach Niedersachsen und komme an der schönen, aber leider aufgegebenen, Harper Wassermühle vorbei. Die Überquerungen der Landesgrenzen kommen so häufig vor, daß ich manchmal schon genau schauen und überlegen muss, um sagen zu können, wo ich mich gerade aufhalte.

Die nächste Mühle, die ich passiere, ist die Barnebecker Mühle. Die Müllersfamilie musste das Gebäude 1952 räumen, weil die Grenze genau in der Mitte des Baches verlief. Später wurde die Mühle komplett abgerissen. Wenn man genau hinschaut, kann man die Reste noch in der Mitte des Baches erkennen.

Heute beseitigt man hier alte Staustufen und ersetzt sie durch Sohlgleiten, damit wandernde Fische und andere Wasserorganismen hier wieder ungehindert unterwegs sein können. So sind auch Fischotter und Flußperlmuschel wieder zurückgekehrt.

Der Reiseführer rät einen Umweg zunehmen, falls der ausgewiesene Weg zugewachsen ist. Das klingt spannend und ich werde durch viel Natur für meine Risikobereitschaft belohnt.

Ein Kolkrabenpaar scheint sehr interessiert an mir zu sein, ein pechschwarzes Reh wird von mir hochgeschreckt und die Szenerie ändert sich ständig.

Diese alte Feldscheune ist alles, was vom ehemaligen 100-Einwohnerdorf Groß Grabenstedt übrig geblieben ist. Alle Dörfer, die weniger als 500 m von der Grenze entfernt waren, wurden in den 50er Jahren im Rahmen der sogenannten “Aktion Ungeziefer“ abgerissen und die Bewohner zwangsumgesiedelt.

So verwilderte auch der kleine Friedhof des Dorfes völlig, weil es niemandem erlaubt wurde sich um die Gräber zu kümmern.

Die Bilder und die Gesamtumstände erinnern mich sehr an eine Reise mit meinem Vater an seinen Heimatort in Pommern und auch an Streifzüge mit polnischen Freunden durch die masurischen Wälder, bei denen wir immer wieder auf alte deutsche Siedlungsreste gestoßen sind.

Auf meinem weiteren Weg überquere die Gleise der sogenannten Amerika-Linie. Ende des 19.Jahrhunderts verkehrten hier Personenzüge aus Richtung Berlin kommend und brachten die auswanderungswilligen Menschen direkt bis zum Kolumbus-Kai nach Bremerhaven, wo die großen Auswandererschiffe lagen. Bis zu 64 Züge am Tag sollen es gewesen sein.

Bis hierher hat mich der Regen verschont und es ist nur ein kräftiger Nord-Ost gewesen, der mir so manches Mal ordentlich entgegen geweht ist. Jetzt, so gegen Mittag, kommt noch kalter Regen dazu.

Erfreulich was die Natur trotzdem noch in diesen sehr grauen Novembertag hineinzaubert. Hier sind es knallrote Hagebutten…

…und, ganz unerwartet, kommt auch noch das knallige Blau der Schlehen dazu.

Dieser prächtige Herbstlaub-Mischwald, mit Buchen, Hainbuchen und Eichen würde mit ein paar Sonnenstrahlen noch viel besser zur Geltung kommen.

Jetzt regnet es schon über 3 Stunden ohne Unterbrechung. An eine Mittagspause irgendwo am Weg ist gar nicht zu denken, es ist alles viel zu naß. Und eine geschützte Bushaltestelle oder ähnliches findet sich auch nicht. Einmal klettere ich in ein Spielhaus auf einem Spielplatz und komme fast nicht wieder raus, weil sich mein Rucksack verkeilt hat.

Da freut man sich über einen Grenzturm am Weg, weil er zumindest ein wenig Wind- und Regenschutz bietet.

Ich wandere jetzt langsam in das Tal des Flüsschens Dumme hinunter und erfahre auf einer Hinweistafel, daß es vielfältige Bemühungen gibt den Fluss wieder zu renaturieren, wohl auch mit Erfolg, denn Bachforelle, Flussneunauge, Eisvogel und andere mehr sind wieder da.

Schließlich durchquere ich noch das urige Naturschutzgebiet „Luckauer Holz“…

…folge dem Lauf der Dumme noch ein paar Kilometer…

…und als es schon fast ganz dunkel ist, erreiche ich nach gut 30 Kilometern Wanderung meine Unterkunft in der Nähe von Wustrow, zugegebenermaßen ein wenig kaputt. Der Weg war lang, es gab viel zu entdecken und zu lernen und der November hat sich heute als wahrhaftiger November gezeigt.

2 Kommentare auch kommentieren

  1. Angela Klimas sagt:

    Toll, so wunderbare Bilder.

  2. Heidi sagt:

    Novemberregen klatscht gegen die Fensterscheiben.
    Ich kuschel mich in meine weiche Decke, genieße einen heißen Fliederbeersaft und tauche ein, in deine wunderbaren Bilder.
    Melancholisch, märchenhaft und ein wenig wehmütig…..November.
    Wer könnte diese Atmosphäre spürbarer zu uns bringen.
    Danke lieber Volker

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