Das Grüne Band „Wandern im wilden Deutschland“ – Tag 24

Pünktlich holt mich der Rufbus ab und kurz nach 9 Uhr kann ich meine heutige Wanderung beginnen.

Ein bisschen grau ist es noch, als ich von Bernstorf über Kneese in Richtung Norden laufe. Ein erster Seeadler lässt sich blicken, aber nur in weiter Ferne.

An der geschützten Kneeser Niederung fliegt ein zweiter Seeadler auf, aber auch er mag sich nicht fotografieren lassen.

Nicht weit vom Schaalsee entfernt entdecke ich die Gedenkstätte für Harry Weltzin, der hier, als 27 jähriger, bei einem Fluchtversuch durch eine Vielzahl von Splittern aus einer Selbstschussanlage getötet wurde. Ein eifriger Stabsfeldwebel der NVA hatte westlich des Dorfes Kneese Hunderte solcher Anlagen installieren lassen. Vom Landgericht Stendal wurde er im Jahr 2000 freigesprochen, weil ihm keine vorsätzliche Tötung nachgewiesen werden konnte.

Durch dieses offenes Gelände lässt es sich auf dem verfüllten Kolonnenweg wunderbar wandern, wenn auch die Gedanken bei dem jungen Mann sind und der Ohnmacht gegenüber den Menschen, die dieses Unrechtsregime mit getragen haben

Er hieß auch Harry und war erst 10 Jahre alt, als er hier, auf dem Goldensee 1951, wie jeden Winter Schlittschuh lief. Auf dem See verlief die Grenze und das Kind wurde erschossen, von einem 18 jährigen Grenzer. Das Verfahren gegen ihn, das die Eltern eingeleitet hatten, wurde bereits nach kurzer Zeit eingestellt. „When will they ever learn“, diese Liedzeile von Pete Seeger fällt mir dazu ein. Und die Lage der Welt heute zeigt, dass gar nicht dazu gelernt wird.

Sehr berührt und in Gedanken versunken bin ich noch, als mir ein Schild sagt, dass der Wanderweg diese Weide überquert. Gut Abstand zu den Tieren soll man halten, was ich wahrscheinlich sowieso getan hätte.

Ist das Mißmut oder Neugier? Egal, wir kommen gut klar.

Und dann wieder so eine wunderbare alte Eiche, der Stamm hat bestimmt einen Radius von 2 Metern.

Beeindruckend auch diese kilometerlange Lindenallee an einem schmalen Feldweg.

Und dann noch so ein Methusalem von Eiche. Heute ist mein Tag des Baumes.

In dem kleinen Dorf Dechow gibt es diese „Gläserne Molkerei“, in der Biomilch aus dem Biosphärenreservat Schaalsee verarbeitet wird und lecker Kaffee und Kuchen gibt’s auch.

Der Buchenwald beginnt sich herbstlich zu färben.

Schöne Wälder durchstreife ich heute immer wieder,

mit teils bizarren Baumgestalten

solch putzigen Gesellen

und immer neuen Blicken auf einen der vielen Seen.

Hinter dem Lankower See sehe ich diesen roten Bullen, der bestimmt zu den roten Rindern von heute Mittag gehört. Wie gut, dass er nicht zuhause war, als ich die Weide überquert habe.

Auch einem Wasserbüffel begegne ich hier wieder

und einer Formation ziehender Kraniche.

Wunderschön ist es hier heute zu wandern.

Bei Schlagsdorf stosse ich auf diesen Wanderweg, der parallel zum Mechower See verläuft und als Teil der „Grenzwege“ über die deutsche Teilung informiert.

Hier die Flucht eines Grenzsoldaten.

In Schlagsdorf selbst hat man noch einen alten Grenzturm und Teile des Metallzauns mit Stacheldraht als Mahnmal erhalten.

Dazu passt dieses Zitat von Hannah Arendt. Der Anblick von Stacheldraht und Grenzturm macht Geschichte in einer Form erlebbar, die über das, was ein Buch vermag, deutlich hinausgeht. Ich erlebe bei mir selbst, dass das Zusammenspiel aus Sachinformation, Anschauungsmaterial und persönlichen Geschichten, hier direkt vor Ort, einen ganz tiefen und nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Das alles sicherlich noch einmal umso mehr, weil ich zu Fuß unterwegs und den ganzen Tag draußen bin.

Ein letztes Fundstück vom „Grenzweg“, das gut zu den Berichten von den Todesschüssen passt. Ich empfehle den Text auf dem PC zu lesen. Für’s Handy wird die Schrift zu klein sein.

Kurz vor Ratzeburg treffe ich dann auf einem Aussichtsturm eine Frau, die sich genauso für Naturfotografie begeistert, wie ich. Als ich sie nach den Nandus frage, die hier frei und wild unterwegs sind und die ich unbedingt sehen möchte, erzählt sie, dass sie gerade einen Hinweis bekommen hat, wo sie sein könnten und lädt mich ein mitzukommen. So geht’s jetzt also auf Nandusafari. Auf einem Acker entdecken wir die ersten drei Tiere, die aber leider schon dabei sind aus dem Blickfeld zu verschwinden.

Ein paar Kilometer weiter haben wir mehr Glück. Im schönen Abendlicht, vor dekorativem Hintergrund, macht er sich gut, dieser südamerikanische Laufvogel, der bis1,50 Meter groß werden kann. Vor mehreren Jahren sind sie aus einer Straußenfarm ausgebüchst und haben sich hier richtig breitgemacht.

Ich freu mich riesig, dass ich sie beobachten konnte. Was für ein spannender und bewegender Tag!

3 Kommentare auch kommentieren

  1. Angela Klimas sagt:

    Was für ein wunderbarer Weg, was für eine beeindruckende Landschaft- und dann immer wieder die unsäglichen Entscheidungen und Taten der „Krone der Schöpfung“.
    Da muss irgendwo ein Fehler im System sein. Ich bin immer wieder fassungslos .
    Trotzdem- weiterlaufen, es gibt nichts anderes, sonst wird mensch erdrückt.
    Angela

  2. Erich von Hofe sagt:

    Wieder hast du tolle Fotos gemacht und hervorragend beschrieben. Man fühlt sich mit genommen auf die Wanderung.
    Herzliche Grüße von
    Erich aus Papenburg

  3. Sibylle Wolffson sagt:

    Lieber Volker, Deine Erläuterungen zu den außergewöhnlich schönen Fotos geben mir viel. Ich mag Schleswig-Holstein sehr und am Schaalsee hat eine leider letztes Jahr verstorbene Freundin aus Kindertagen lange Jahre gelebt. Ich muss gerade intensivst an sie denken… Sie liebte das Pilzsammeln sehr in den wunderschönen Wäldern. Mich faszinieren Deine fotografierten Baumwesen!
    Wander weiter 🤗 Liebe Grüße Sibylle

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