Das „Grüne Band“ Wandern im wilden Deutschland – Tag 26

Es geht wieder los. Drei Tage möchte ich unterwegs sein und meine Wanderung auf der ehemaligen innerdeutschen Grenze weiter vervollständigen. Früh um 7 Uhr stehe ich am Bahnhof, um mit dem ÖPNV nach Lauenburg an der Elbe, meinem Startpunkt, zu reisen.

Am Lüneburger Bahnhof fällt mir dieses Schild auf. Es macht darauf aufmerksam, dass, trotz der Abschaltung aller deutschen Atomkraftwerke, an vielen Orten schwach-, mittel-oder hochradioaktive Stoffe lagern. Kein Ort bei uns ist mehr als100 km von einer solchen Lagerstätte entfernt.

Lauenburg ist ein wunderhübsches, altes Fachwerkstädtchen. Ich steige dort mit einem älteren Herrn aus dem Zug, wir unterhalten uns und er erzählt mir, dass er obdachlos ist. Er bittet um ein bisschen Geld und als ich ihm ein paar Münzen gebe, möchte er sich bei mir bedanken und bittet mich, mir in die Augen sehen zu dürfen. Ich stimme zu, er sieht mich sehr intensiv an und nach kurzer Zeit sagt er mir Dinge zu meiner Person und meiner Persönlichkeit, die mich nicht nur mehr als verblüffen, sondern mich auch sehr berühren.

Wir laufen noch ein Stück gemeinsam in die Stadt. Dann trennen sich unsere Wege und er bittet mich für ihn zu beten. Was war das? Wer ist mir da begegnet? Unwillkürlich muss ich an meinen Lieblingsfilm denken: Die monumentale Verfilmung von Moby Dick, mit Gregory Peck in der Hauptrolle. Ismael und Quequec begegnen auf dem Weg zu ihrem schicksalhaften Walfangschiff dem Bettler Elias, der wie aus dem Nichts auftaucht und sie vor dem Anheuern auf diesem Schiff warnt. Kaum bin ich gestartet schon beginnt das Abenteuer.

Ich trinke jetzt erst einmal einen Kaffee und schaue dann von der Oberstadt auf die Elbe.

Drei Tage will ich in dieser Richtung den Fluss hinaufwandern.

Vorbei an der Statue des Rufers, bei der ich beim besten Willen nicht herausbekommen kann, nach wem er ruft, geht es jetzt in die Elbtalauen Richtung Boizenburg.

Die Sonne scheint wieder und ich lasse Lauenburg hinter mir.

Weite Wiesen und große alte Weiden prägen das Landschaftsbild.

Dieser markante Baum wird schon viele, viele Hochwasser erlebt haben, bevor er einen seiner Hauptäste verloren hat.

Herrlich unberührt wirkt der Fluss hier mit dem üppigen Uferbewuchs. Gut für die Vegetation, gut für den Artenreichtum und gut für den Hochwasserschutz.

Wie hier an der Elbe hat man auch in anderen Regionen erkannt, wie wichtig es ist, dass Flüsse wieder Raum bekommen. Beispielhaft geschieht dies an der Havel in Brandenburg, an der Aller bei Verden und jetzt wohl auch bei uns an der unteren Wümme.

Immer wieder herrliche Bilder. Ich komme kaum voran. Wie gut, dass ich mir für heute nur eine kleine Strecke vorgenommen habe.

Schließlich führt mich der Weg bergauf und bergab durch herrlichen Eichen-Buchenmischwald, mal auf kleinen Trampelpfaden,

mal aber auch wieder auf dem altbekannten Kolonnenweg

vorbei an alten Grenzpfählen, die früher Stacheldraht trugen und die die Natur sich langsam zurückholt.

Boizenburg, mein heutiges Tagesziel, empfängt mich mit diesem schönen Regenbogen.

Autofahrer werden am Ortseingang mit vielen solchen, von Schülern gestalteten, Plakaten begrüßt, mit denen gezeigt werden soll, dass Boizenburg bunt ist. Eine tolle Idee!

Am Hafen der Stadt begeistert mich ein Kunstobjekt, ein Spazierweg, der gesäumt ist von unterschiedlich, zum Teil künstlich, geformten Weiden,

die auch im Regen hochinteressant aussehen.

Höhepunkt ist der „Weidenschneck“, eine 12 Meter hohe Skulptur, die über Jahre aus kleinen Weidenstecklingen gezogen wurde. Phänomenal. So etwas habe ich noch nicht gesehen.

Das war ein spannender Tag.

Morgen geht’s weiter, die Elbe aufwärts.

4 Kommentare auch kommentieren

  1. Margret Strohbach sagt:

    Was für eine herrliche Herbstwanderung mit wechselnden Wettern und einer zauberhaft (verstörenden?) Begegnung!

  2. Sibylle Wolffson sagt:

    Die Begegnung am Anfang des Tages mit einem sehr besonderen Menschen und dann die Naturbilder… mein Gefühl im Moment heißt Ehrfurcht und tiefe Berührung.

  3. Erich von Hofe sagt:

    Ja, das ist spannend, welchen Menschen man zufällig begegnen kann. Vielleicht haben diese zufälligen Begegnungen einem etwas zu sagen. Wer weiß. Es sind wieder wunderschöne Bilder, die du gemacht hast.

  4. Irene Brennecke sagt:

    Berührt zu werden, nahbar zu sein, für Menschen und Natur, wie gut, das zu erleben! Wünsche dir sonnige Herbsttage, auch wenn ich weiß, dass Regen nur anders schön ist.

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