Unbekannte Südheide

Seit Tagen schon haben sie mich traurig angeschaut, meine Wanderschuhe und mein Rucksack. Schließlich kann ich nicht mehr widerstehen, schaufele mir 2 Tage frei und dann sitzen wir in der Regionalbahn von Achim über Uelzen nach Unterlüß.

Ich kenne die Südheide schon von vielen Wanderungen, aber es gibt noch Lücken und die sollen jetzt gefüllt werden.

Von Unterlüß aus geht es zunächst auf sandigen Wegen durch sonnenbeschienene Mischwälder, auf den Heidschnuckenweg zu, der auf ca. 220 km Länge viele norddeutsche Heidegebiete miteinander verbindet.

Mein erstes Ziel heute ist die Oberoher Heide.

Wunderschön und bei weitem nicht so stark besucht, wie die Heideflächen der Nordheide.

Interessant ist, dass hier bis vor ca. 30 Jahren Kieselgur abgebaut wurde. Kieselgur entstand aus der Ablagerung von Kieselalgen, die hier vor hunderttausenden von Jahren in den Urzeitmeeren gelebt haben. Zuerst hieß es „Dat Tüg ist to nix to bruken“, bis man entdeckte, dass es sich hervorragend für Trinkwasserfilter, Reinigungsmittel und sogar zur Herstellung von Dynamit, als Aufnahmestoff für das hochexplosive Nitroglyzerin eignete. Da sprach man dann vom „Weißen Gold der Heide“.

Heute sind die ehemaligen Abbaugruben mit Wasser vollgelaufen und werden von den örtlichen Angelvereinen betreut.

In der Heide wird es jetzt langsam Herbst. Die ersten Blättchen an den Blaubeersträuchern beginnen sich rot zu färben

und am Wacholder hängen aromatische blaue Beeren. Ein Destillateur aus der Nordheide sammelt solche Beeren bei Mondschein und macht daraus einen besonderen Gin. Irgendwann gönne ich mir mal so ein Fläschchen.

Ein schöner, sonniger Tag. Weiße Birken und weiße Wölkchen. Irgendwie ist hier die Welt ein bisschen in Ordnung.

Kilometer um Kilometer geht es jetzt durch die riesigen Kiefernwälder, die vor fast 200 Jahren angelegt wurden, um den Flugsand aus den abgewirtschafteten Heideflächen in den Griff zu bekommen.

Ich übernachte in dem gepflegten, alten Heidedorf Weesen. Nach dem Essen streife ich noch ein bisschen durch den Ort

und überquere dabei den Weesener Bach, der nach umfangreichen Naturschutzmaßnahmen heute Trinkwasserqualität hat,

genieße die schöne Abendstimmung und stelle fest,

dass in zwei Tagen Vollmond ist.

Nach einem ausgezeichneten Frühstück bin ich wieder unterwegs. Die sandigen Wege in den Wäldern und hier in der Heide sind ein Überbleibsel der letzten Eiszeiten. Alle feineren und damit auch fruchtbareren, humusbildenden Sedimente wurden nach dem Abschmelzen der Gletscher fortgeweht.

Und in diesem Sand zeichnet sich auch eine Spur ab, die, von der Größe und der ovalen Form her, durchaus von einem Wolf sein könnte. Aber ganz sicher kann man das bei einem einzelnen Pfotenabdruck nicht sagen. Hier in der Nähe, im Truppenübungsgebiet Munster, war im Jahr 2012 das erste Wolfsrudel in Niedersachsen nachgewiesen worden.

Ein weiterer „Star“ der hiesigen Tierwelt ist dieser kleine Kerl, der Mistkäfer. Überall ist er zu sehen.

Manchmal sogar in großen Gruppen. Zur Brutpflege verbuddelt er Kothaufen im Boden und legt seine Eier hinein. So sind seine Nachkommen erst einmal gut versorgt. Bei den vielen Heidschnucken und Pferden in der Heide ist bei ihm mit Versorgungsengpässen nicht zu rechnen.

Die auffällige Raupe des Braunen Bären, eines hübschen Nachtfalters, begegnet mir immer wieder. Bei diesen bodennahen Fotoaktionen vergesse ich gern mein Lebensalter und auch, dass ich einen Rucksack auf dem Rücken habe. Ich muss mich schon ein bisschen quälen und das Aufstehen sieht sicher alles andere als elegant aus.

Stare sind nach der Brustsaison jetzt wieder in Schwärmen unterwegs. Hübsch anzuschauen und hübsch anzuhören, wenn so viele von ihnen munter vor sich hin plaudern.

Ich höre aber auch immer wieder Lautsprecherdurchsagen, gefolgt von heftigen Detonationen. Auf dem Erprobungsgelände von Rheinmetall (50 qkm groß), etwas nördlich von Unterlüß wird offenbar Kriegsgerät getestet. Jane Goodall, die berühmte Primatenforscherin, hat einmal gesagt, dass wir die einzigen Wesen auf dieser Welt sind, die ihren eigenen Lebensraum zerstören. Daran werde ich hier schmerzlich erinnert.

Ein Stück wandere ich schließlich noch in den Lüßwald hinein. Ich erfahre, daß dieser Wald  mit 7500 Hektar eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands ist und dass es hier sogar noch urwaldähnliche Strukturen gibt. Ich erlebe jedenfalls einen, auf mich gesund wirkenden, Bestand aus Douglasien, Eichen, Buchen und Lärchen. So könnte ein zukunftsfähiger Mischwald aussehen.

Und Altholz lässt man stehen, wichtig für die Wasserrückhaltung und für Pilze, Insekten und Vögel.

Der Lüßwald, eine spannende Idee für einen neuen Ausflug, vielleicht für einen oder zwei sonnige Herbsttage.

2 Kommentare auch kommentieren

  1. Margret Strohbach sagt:

    Wenigstens „virtuell“ kann ich mitwsndern ,, die herbstlich besomnze Natur genießen und mir die Töne von Lüftchen und Tieren vorstellen. Dankeschön, Deine Berichte sind mir immer ein Genuß!!

  2. Erich von Hofe sagt:

    Es sind wieder phantastische Bilder und tiefgehende Beschreibungen von deiner Wanderung in der Heide in deinem Block zu finden. Ich bin immre wieder begeistert, wie du die Welt vor Ort wahrnimmst.
    Erich

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