Wind von vorn – Unter Segeln an der holländischen Küste

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Wir haben Glück. Gute Freunde haben uns gefragt, ob wir mitsegeln wollen, 6 Tage, mit einem Plattbodenschiff vor der westfriesischen Nordseeküste. Beide verfügen wir über keinerlei Segelerfahrung. Was lag also näher, als sofort zuzusagen.

Und dann stehen wir in dem gemütlichen Städtchen Harlingen vor ihr, der Elbrich, diesem schönen alten Zweimaster und frischen Erinnerungen daran auf, wie schlimm uns die Seekrankheit schon erwischt hat.

Diese düsteren Gedanken verschwinden aber flugs, als nach und nach die anderen Teilnehmer eintrudeln, Gepäck und Proviant an Bord gehievt und in einer Pizzeria die letzte Mahlzeit außerhalb des Schiffs eingenommen wird.

Der erste Abend an Bord.

Nach einer kurzen Einweisung, bei der bei mir im wesentlichen hängenbleibt, daß ich nur das tun darf, was Skipper oder Matrose uns sagen, und daß ich gut aufpassen muss, damit ich nicht bei einer Wende oder Halse vom einem der beiden Bäume erschlagen oder ins Meer befördert werde, geht es los.

Mit starrem Blick auf den Horizont will ich ersten Anzeichen von Übelkeit sofort begegnen können. Aber es tut sich nichts und ich beginne ganz schnell das Gleiten über das Wasser als etwas herrliches zu begreifen.

Wir setzen das erste Mal die Segel und es wird richtig flott, als wir mit Windstärke 6 und in ziemlicher Schräglage (Meeresspiegel und Küchenfenster kommen sich ordentlich nah) auf unser Tagesziel, die Insel Terschelling, zusegeln.

Vom Hafen aus erkunden wir den kleinen Ort und spazieren durch die Dünen bis ans Watt, wo mir gleich die vielen Watvögel auffallen.

Der hübsche Austernfischer gehört dazu

und auch diese Löffler, die mit ihrer besonderen Schnabelform fast exotisch wirken.

Was für eine Freude für mich als  Hobby-Ornithologen, als ich schließlich noch im Hafen, von Deck aus, in aller Ruhe solche Fotos machen kann.

Ein Kormoran trocknet seine Flügel.

Ein Großer Brachvogel in voller Schönheit.

Das Abendbier und die frische Seeluft sorgen für einen tiefen Schlaf und am nächsten Morgen geht’s weiter in Richtung Texel.

Ich habe immer noch einen Heidenrespekt vor all den gespannten Seilen, den großen Segeln und dem Druck und der Kraft des Windes, die überall zu spüren sind. Gern arbeite ich daher erst einmal in der zweiten Reihe, merke aber schon, dass man mich nicht immer damit durchlässt.

Erst einmal geht es jetzt aber, vorbei an den beeindruckenden Dünen Terschellings,  zu den Seehundbänken auf einer vorgelagerten Sandbank.

Gemächlich dösend, lassen sie sich von unserem vorbeigleitenden Segler überhaupt nicht stören.

Was für Bilder! Stundenlang könnte man ihnen zuschauen.

Schließlich erreichen wir Oudeschild auf Texel,

liegen dort “ im Päckchen“ (mittlere Position) und lassen den schönen Tag gemütlich ausklingen.

Möwen können so dekorativ sein!

Nach einer morgendlichen Begegnung am Deich geht’s dann wieder los, heute in Richtung Süden zum IJsselmeer.

Ehrlich gesagt finde ich es mittlerweile schon richtig cool, dass ich weiß was gemeint ist, wenn der Klüverbaum hochgezogen wird, oder, daß ich weiß, wo man stehen muss, wenn das Großsegel gesetzt wird.

Meine geduldigen Mitsegler erklären mir, warum man vom Wind gezogen werden kann, und ich traue ich mich auch schon mit einem 8er- und 9er- Knoten ein Fall (Tau zum Hinaufziehen und Herablassen) festzumachen. Nach wie vor habe ich aber großen Respekt vor den Kräften, die hier wirken.

Für mich ist es immer wieder etwas ganz besonderes der Natur ganz nah zu sein. Auf unserem Schiff genieße ich es Wind, Wasser, Wellen und Wolken, so unmittelbar erleben zu können.

Und dann wieder so eine schöne, lebendige, kleine Stadt. Enkhuizen am IJsselmeer.

Niedrige, kleine Häuser und der prächtige Turm der Zuiderkerk.

Wie jeden Tag zaubert uns auch heute unsere, täglich wechselnde, Essensgruppe ein Super-Abendessen, das keine Wünsche offen lässt. Die Palette der Mahlzeiten reicht von Hot-Dogs über Linsen-Dal bis bis zu Hering nach Hausfrauenart. Ich möchte mit keinem Kreuzfahrtschiff tauschen.

Am nächsten Tag regnet es fast ununterbrochen. Wir machen meist nicht mehr als 2 bis 3 Knoten, als wir übers IJsselmeer nach Makkum segeln. Trotz des Regens spannen die ganz harten unter uns am Abend die Persenning auf und schlafen draußen. Hut ab!!

Heute morgen sind es diese Hausgänse, die mir beim Morgenspaziergang begegnen.

Wir verlassen diesen schön gelegenen Hafen und fahren durch die östliche Schleuse wieder ins Wattenmeer zurück.

Viel sonniges Weiß an unserem letzten Reisetag.

Unser toller Bordhund, der ordentlich mit Streicheleinheiten verwöhnt worden ist und

kurz vor der Harlinger Hafeneinfahrt tatsächlich auch noch ein Seehund.

So sind wir, bei voller Besegelung, unterwegs gewesen, nur mit der Kraft des Windes (hier ein baugleiches Schiff). Eine wunderbare Reise mit vielen neuen Erfahrungen haben wir gemacht. Wir haben miteinander Segel gesetzt und geborgen, gekocht und gegessen, haben geschnackt, gelacht und manchmal auch nur still zusammengehockt. Und ich bin sicher, dass sich alle darauf freuen sich bald wiederzusehen.

6 Kommentare auch kommentieren

  1. Margret Strohbach sagt:

    Wunderschöne klare Bilder!!! Danke für das „Miterleben aus der Dose“!!
    LG Margret

  2. Margret Strohbach sagt:

    Wunderschöne klare Bilder!! Danke fürs „Miterleben aus der Dose“
    LG Margret

  3. Sibylle sagt:

    Ich höre immer Deine Stimme beim Lesen Deiner spannenden Berichte und sehe dabei Deine stets neugierigen und strahlenden Augen. Ich kann gut gedanklich mitfahren, es macht einfach Spaß!
    Lieben Dank und Tschüssi bis bald! LG Sibylle

  4. Irene sagt:

    Danke für die „Betthupferl-Reise“, jetzt träume ich bestimmt vom segeln…

  5. Erich von Hofe sagt:

    Auch ich stelle mir vor meinen geistigen Augen vor, wie Du mit Begeisterung von dieser tollen Seereise erzählst. Da kann ich richtig mitgehen. Dazu die schönen Fotos.
    Bis bald
    Grüße aus Litauen

  6. Renate Rosenthal sagt:

    Mit Sicherheit viel besser als jedes Kreuzfahrtschiff! Tolle Reise, wie immer wunderschöne und stimmungsvolle Fotos und Kommentare. Ihr nutzt eure Zeit und füllt sie mit außergewöhnlichen Erfahrungen.

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